Ein Beitrag von Günther Juba
Deutsch-tschechischer Stammtisch | ![]() |
Česko-německý stůl pro stálé hosty |
„Ahoj sousedé! - Hallo Nachbarn!“
Bürgerinitiative für eine gute Nachbarschaft von Waldsassen, Cheb (Eger) und Umgebung
Situation am „Eisernen Vorhang“: | Waldsassen und Cheb – nur 10 km entfernt, doch unerreichbar – waren beide „am Rande der Welt“. Das Bewusstsein der Nachbarn prägten die Wunden der Vergangenheit, ein einseitiges Geschichtsbild, Vorurteile und Ängste. |
21. August 1968 | Ende des „Prager Frühlings“: Mitleid und Bewunderung – für mich eine Beziehung zu Menschen, die ich noch gar nicht kannte. |
1.Juli 1990 Grenzübergang geöffnet |
Erste persönliche Kontakte, (Tschechisch als „Türöffner“: mit den Nachbarn auf Augenhöhe, auch bei geringen Sprachkenntnissen) |
1995: Schulpartnerschaft mit ZvŠ Franzensbad | Besonderer Glücksfall: „Vážena pani ředitelka – moje hezka dcera“, aus Schulpartnerschaft > herzliche Freundschaften bis heute. |
Nach der Grenzöffnung: fast nur negative Presseberichte (sogar im „Spiegel“ und im Fernsehen) |
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Wenige positive Meldungen | Berichte über Schulpartnerschaften – sonst fast nur negative Informationen. |
politische „Eiszeit“ | Die Wunden der Vergangenheit aufgerissen: man redete – auf beiden Seiten - nur von erlittenem Unrecht (... halbe Wahrheiten). So wurden – Ressentiments erzeugt – auch aus parteipolitischem Kalkül (....Wähler) Kein Bewusststein einer gemeinsame Verantwortung für die Zukunft, |
Tiefpunkt in den nachbarschaftlichen Beziehungen |
Die Vorurteile waren umso größer, je näher die Menschen in der Nähe der Grenze lebten! (... obwohl dies als paradox erscheint!)
Nachts aber trafen sich die „falschen Leute“, ... welche die Vorurteile („die Deutschen“ bzw. „die Tschechen“) verschlimmerten. |
12/1999 und 2/2000 | Besuche Waldsassener Tschechischkurs und Egerer Deutschkurs – Vorschlag: Einladung, die Nachbarn jenseits der Grenze kennenzulernen. Ziel: durch persönliche Bekanntschaften Vertrauen aufbauen. |
1. Mai 2000 |
Deutsch-tschechischer Stammtisch „Ahoj sousedé! - Hallo Nachbar!“ wird gegründet. Gleichlautender Pressebericht „Ahoj sousedé! - Hallo Nachbar!“ für die Zeitungen „Chebský Deník“ und „Der Neue Tag“, dazu Foto. |
Ziel: gute Nachbarschaft durch persönliches Vertrauen aufbauen |
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Herkunft der Mitglieder (20 bis 55 Besucher) | einige kommen von weit her: Oberpfalz, Oberfranken, Sachsen, Bezirk Karlovy Vary u.a., meist ebensoviele Tschechen wie Deutsche (...nicht unwichtig!) leider nur wenige Jugendliche – aber gerade die Ältesten oft besonders motiviert: Erinnerung an nationale Probleme – glücklich über Friedenszeit |
persönliche Freundschaften |
“Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ein Deutscher mein Freund sein kann ...“
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Gemeinsamkeiten | Offenheit und Interesse an allem, was anders ist (statt Misstrauen und Ablehnung) soziales Denken und Fühlen (unabhängig von Nationalität, Religion….), Bewusstsein der Mitverantwortung jedes Einzelnen (für eine bessere Zukunft) Engagement – auch außerhalb des Stammtisches |
Aktivitäten jenseits der monatlichen Treffen |
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Politik | Abstand von der Politik (die politischen Misstöne, die noch vor 18 Jahren sehr häufig gegeben hat, haben uns das umso mehr zusammengeschweißt). im Gespräch aber keine Tabuthemen (sogar die Kritik an Politikern - bei gegenseitigem Vertrauen möglich und sogar erwünscht). |
Zeitungsarbeit, als „Kommunal-pädagogik“ (seit 2008) | Die meisten Leute hatten keine Ahnung, was jenseits der Grenze passiert. Aber: „Man kann aber nur schätzen was man auch kennt“ (pädagog. Arbeit) Zeitungsberichte (Der neue Tag) haben das Interesse an unseren Nachbarn jenseits der Grenze geweckt. (auch Frankenpost, Egerer Ztg, Sudetendeutsche Ztg) Beiträge zu Geschichte und Sehenswürdigkeiten (z. Zt. 73) auf den deutsch-sprachigen Seiten der Stadt Cheb tic.cheb.cz/DE/ - z.Zt. monatlich über 2000 Leser, auch Beiträge auf der Webseite der Stadt http://www.cheb.cz/ |
Zeitungsberichte über den deutsch-tschechischen Stammtisch: |
Der Neue Tag (Oberpfalz), Am 20.12.2010 (erster Staatsbesuchs eines bayerischen Ministerpräsidenten in Tschechien) Süddeutsche Zeitung: „Die Bürger ... sind längst weiter als ihre politische Führung.“ |
Rundfunk und Fernsehen: | Bayerischer Rundfunk, 2. Programm ( Sendungen am 11. 9. 2003 – 30. 10. 2006) 29. 9. 2007: „Vom Rande der Welt in die Mitte Europas“) "Abendschau " d. Bay. Fernsehen (29. 8. 2003, Teil einer Live-Sendung über die Stadt Waldsassen) Televize Prima und Oberpfalz-TV, nach Bekanntgabe der Auszeichnung „Brückenbauer 2011“ (12. 3., bzw 4. 4. 2011) Juli 2012: Bayerisches Fernsehen (Heio Letzel) „Grenzland – Zwischen Böhmen undOberpfalz“ Zapad-TV und Český Rozhlas-Radiožurnál (Ehrung am 11. 11. 2013) |
Ehrungen: |
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Nachtrag
Seit dem EU-Beitritt hat sich das deutsch-tschechische „Klima“ erheblich verbessert |
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allerdings | Es ist Wunschdenken zu glauben, die geschichtlich verursachten Belastungen dieser Nachbarschaft werden von selbst, auf „natürlichem Wege aussterben“. Nationalistische Vorurteile und gibt es immer noch. Diese werden jetzt nur selten laut geäußert - sie können aber jederzeit wieder aufbrechen (bei politischen Konfikten, aus wirtschaftl. Gründen ...). Im Mai 2016 wurden Waldsassen und Cheb zum gemeinsamen „Oberzentrum“ erklärt. Für sehr viele Leute sind damit lediglich (geringe) finanzielle Erwartungen verbunden. Ein „Wir-Gefühl“ ist daraus nicht entstanden. |
deshalb | Die „Sprachbarriere“ und eine andere Einstellung verlangen, dass auch in Zukunft diese Nachbarschaft sensibel und engagiert gepflegt wird. Es ist weiterhin dringend nötig, wachsam zu bleiben! Deshalb werden Bürgeraktionen gegen nationale Vorurteile (wie unser „Stammtisch“) noch lange unverzichtbar bleiben. |
Günther Juba, Februar 2018